VGH-Dissertationspreis 2023 / VGH Theses Award 2023

Prof. Dr. Wenchao Li, Vorsitzender der Jury und Vizepräsident der Leibniz-Gesellschaft, Prof. Dr. Erich Barke, Ehrenpräsident der Leibniz-Gesellschaft, Anne May, Direktorin der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, Prof. Dr. Christina von Haaren, Vizepräsidentin der Leibniz Universität Hannover, Osvaldo Ottaviani, Sven Erdner, Sandra Bella und Frank Müller, Vorstandsmitglied der VGH Versicherungen (v.l.n.r.) Foto: Michael Löwa

VGH-Preise für hervorragende Leibniz-Dissertationen 2023

Die Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft hat zum zweiten Mal einen Preis für hervorragende Leibniz-Dissertationen ausgeschrieben. Das Preisgeld wurde von den VGH Versicherungen im Lande Niedersachsen (Deutschland) gestiftet, und der Preis trägt den Namen des Unternehmens.

Die Ausschreibung richtete sich weltweit an Forscherinnen und Forscher aller Disziplinen, die sich in ihrer Dissertationsarbeit im Wesentlichen mit Leibniz, dessen Denken und Werken auseinandersetzen. Die Promotion durfte nicht vor dem 31. Dezember 2015 liegen.

Die Jury-Mitglieder waren: Profes. Dres. Wenchao Li (Vorsitz, Berlin/Potsdam), Maria Rosa Antognazza † (London), Herbert Breger (Hannover), Anne Eusterschulte (Berlin), Michel Fichant (Straßburg), Michaela Hohkamp (Hannover), Brandon Look (Lexington/Kentucky), Juan Nicolás (Granada), Enrico Pasini (Turin), Arnaud Pelletier (Brüssel), Concha Roldán (Madrid), Kiyoshi Sakai (Tokyo).

An dem Wettbewerb nahmen 5 Bewerberinnen und 15 Bewerber aus Argentinien, Belgien, Chile, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Korea, Mexiko, Spanien und den USA teil. Die eingereichten Arbeiten wurden in Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch verfasst.

5 Bewerberinnen und Bewerber kamen in die engere Auswahl. Auf ihrer Sitzung vom 9. Juni 2023 beschlossen die Jury-Mitglieder, den VGH-Preis für hervorragende Leibniz-Dissertationen 2023 zu vergeben an:

  • Dr. Sandra Bella
  • Dr. Sven Erdner
  • Dr. Osvaldo Ottaviani

Die feierliche Preisverleihung fand am 3. August 2023 im Rahmen des XI. Internationalen Leibniz-Kongresses im Lichthof des Hauptgebäudes der Leibniz Universität Hannover statt. Grußworte sprachen Prof. Dr. Erich Barke, Ehrenpräsident der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft, Prof. Dr. Christina von Haaren, Vizepräsidentin der Leibniz Universität Hannover, und Frank Müller, Vorstandsmitglied der VGH Versicherungen. Prof. Dr. Wenchao Li, Vorsitzender der Jury und Vizepräsident der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft, stellte die Preisträgerin und die Preisträger sowie deren Arbeiten vor:

Sandra Bella, geboren in Barcelona (Spanien), Postdoc am Forschungszentrum Wissenschaften, Philosophie, Geschichte in Paris (Laboratoire SPHERE), Studium der Mathematik in Montpellier, Promotion 2018 an der Universität von Nantes mit der Arbeit

De la géométrie et du calcul des infiniment petits : les réceptions de l'algorithme leibnizien en France (1690-1706), 695 S. (erschienen 2022). (Geometrie und Infinitesimalrechnung: Rezeptionen des Leibnizschen Algorithmus in Frankreich).

Die Dissertation untersucht die Entstehung der Differentialrechnung zwischen 1690 und 1706 und konzentriert sich dabei auf die Neuausarbeitung von Leibniz' Konzepten der Infinitesimalrechnung durch Johann Bernoulli und im Kreis um Nicolas Malebranche; detailliert werden die Debatte gegen die Infinitesimalrechnung an der Pariser Académie des sciences rekonstruiert und analysiert. Die Studie basiert weitestgehend auf bisher unveröffentlichten bzw. selten erforschten Manuskripten, insbesondere den von Johann Bernoulli, Pierre de Varignon und Guillaume de L'Hospital, und zeigt im Detail, dass die Akzeptanz der Gültigkeit mathematischer Praktiken nicht nur von logischen Argumenten abhängt, sondern dass der endgültige Konsens das Ergebnis von Debatten war, die stark sozial oder von politischen Aspekten geprägt waren.

Sven Erdner, geboren in Pattensen, Studium der Geschichte, Italianistik, Religionswissenschaften und Germanistik in Hannover, Mitarbeiter des Leibniz-Archivs in Hannover und der Leibniz-Gesellschaft, Promotion 2019 im Fach Geschichte an der Leibniz Universität Hannover über

Leibniz und die braunschweig-lüneburgische Hausgeschichte: Leibniz' Suche nach den Vorfahren Azzos II. von Este zwischen 1685-1716 und sein Prioritätsstreit mit Lodovico Antonio Muratori, 571 S.

Leibnizʼ genealogische Forschungen sind innerhalb des lange unzureichend behandelten Themas "Leibniz als Historiker" kaum näher untersucht worden, obwohl diese zum Kern von Leibnizʼ geplanter Welfengeschichte gehörten und einen wichtigen Teil seiner 30jährigen Arbeit für den hannoverschen Hof darstellten. Die Monographie von Erdner rekonstruiert den gesamten Prozess der Erforschung der Geschichte des welfischen Fürstenhauses durch Leibniz und macht sie bis in ihre Einzelheiten nachvollziehbar. Die Arbeit bildet einen ebenso verlässlichen wie vielseitigen Beitrag zu einem noch in der Formierung befindlichen Forschungsfeld; gleichzeitig leistet sie eine gründliche Aufarbeitung des sogenannten Prioritätsstreites zwischen Leibniz und dem italienischen Genealogen und Historiker Lodovico Antonio Muratori. Die Untersuchung stützt sich auf ganz exzeptionellen Sach- und Quellenkenntnisse und besticht durch reflektierte Analyse. Es liegt insgesamt eine Forschungsarbeit vor, die sehr hohen Anforderungen genügt.

Osvaldo Ottaviani, Institut für Technologie (Technion) in Haifa (Israel), Studium der Philosophie in Pisa, Oxford und Mailand, Promotion 2018 an der Scuola Normale Superiore di Pisa über

Modality, Ontology, and Phenomenology. Leibniz's Multiple Views on Existence. A Historical and Analytic Reconstruction, 587 S.

Mit dieser Arbeit liegt eine umfassende und gründliche Untersuchung des Begriffs "Existenz" (existens, existentia, existere) vor, eines Begriffs, der in Leibniz' Metaphysik in vielerlei Hinsicht (Essenz, Kontingenz, mögliche Welten, Entitäten, notio completa, series rerum etc.) eine zentrale und facettenreiche Rolle spielt (und in der Forschung nicht unumstritten ist). Der Autor behandelt den thematischen Komplex heuristisch, indem er ihn jeweils streng unter den phänomenologischen, ontologischen und modalen Aspekten hinterfragt - drei Ebenen, die bei Leibniz eng miteinander verbunden sind; auch für die gegenwärtige Diskussion äußerst fruchtbar sind die detaillierten Beobachtungen und geistesgeschichtlich fundierte Belege der Genese (vor der Pariser Zeit) und späterer Entwicklungen (Änderungen und Schwankungen) des Begriffs bei Leibniz.

Der Preis ist jeweils mit 2.000 Euro dotiert.

Herzlichen Glückwunsch!

 

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