Vortragsveranstaltungen 2013

29. November Prof. Dr. Joachim Wolschke-Bulmahn (Hannover)
  • Gärten und Parks im Leben der jüdischen Bevölkerung in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur
22. Oktober PD Dr. Andreas Blank (Paderborn)
  • Leibniz und territoriale Gerechtigkeit in der frühen Neuzeit
    (Vortrag im Rahmen des Leibniz-Sommers in Hannover)
18. September Prof. Dr. Kiyoshi Sakai (Tokio)
  • Monadologie im „Kegon“-Buddhismus. Zur Leibniz-Interpretation Toshie Murakamis
    (Vortrag im Rahmen des Leibniz-Sommers in Hannover)
4. Juli
Prof. Dr. Michael Lackner (Erlangen)
  • Die „Wissenschaften des traditionellen China“. Ein Überblick zu den chinesischen Techniken der Zukunftsbewältigung in Vergangenheit und Gegenwart
    (Vortrag im Rahmen des Leibniz-Sommers in Hannover)
4. Juni Prof. Dr. Detlef Haberland (Oldenburg)
  • Kultur-, Wirtschafts- und Mentalitätsgeschichte am Beispiel des Lesezeichens
31. Mai Prof. Dr. Michel Fichant (Straßburg/Paris)
  • Hat Leibniz „die Erscheinungen intellektualisiert“? Zum Ursprung eines Missverständnisses
4. April Prof. Dr. Volker Peckhaus (Paderborn)
  • Leibniz und die Entstehung der modernen Logik
12. Februar Prof. Dr. Fabian Wittreck (Münster)
  • Anerkennung und Geltung von Recht

Freitag, den 29. November 2013
Prof. Dr. Joachim Wolschke-Bulmahn (Hannover)

  • Gärten und Parks im Leben der jüdischen Bevölkerung in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur

Zum Vortrag:
Die Geschichte des Judentums, die Geschichte der jüdischen Kultur wie auch die Geschichte des Antisemitismus und die Verfolgung der Juden in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur sind an vielen Universitäten in Deutschland Forschungsgegenstand. An der Leibniz Universität Hannover allerdings wird seit langem in diesen Kontexten auch umfassend zur Bedeutung von Gärten und Gartenkultur geforscht. „Jüdische Kultur ‒ Gärten und Gartenkultur“ ist am Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) der Leibniz Universität Hannover zu einem besonderen Forschungsschwerpunkt entwickelt worden. Im Rahmen einer 2006 durchgeführten internationalen Tagung Gärten und Parks im Leben der jüdischen Bevölkerung nach 1933, die von der VolkswagenStiftung gefördert wurde, wurde erstmals überhaupt umfassend der Frage nach der Bedeutung von Gärten und Parks in der NS-Zeit für die jüdische Bevölkerung nachgegangen. Gärten konnten in der Zeit der NS-Diktatur Bedeutung als Orte der Zuflucht haben; Gärten und Parks wurden dann aber auch zunehmend zu Orten von Diskriminierung und Verfolgung.

Neues Verbot für Juden, den Großen Garten und andere Parks zu betreten. Wirkung im Judenhaus, so heißt es in Viktor Klemperers Tagebuch in einem Eintrag vom 6. Juli 1940 ‒ in den Fachbüchern über historische Gärten und die Geschichte der Gartenkultur fanden sich über Jahrzehnte keinerlei Informationen zu dieser historischen Dimension der „Gartenkultur“ in Deutschland. Entsprechende Verweise müssen bis heute u. a. in Tagebüchern von Betroffenen, so in Klemperers Tagebuch oder in Willy Cohns Breslauer Tagebuch gesucht werden. Auch in Romanen wie z. B. Ilse Aichingers Die größere Hoffnung findet die Bedeutung von Gärten und Parks als Orten der Ausgrenzung in eindrucksvoller und zugleich bedrückender Weise ihren Ausdruck.

Im Vortrag wird die entsprechende Bedeutung von Gärten, Kleingärten, Parkanlagen, Friedhöfen und anderen Freiräumen als Orten der Zuflucht wie auch der Ausgrenzung und Verfolgung anhand zahlreicher Beispiele dargelegt und diskutiert.

J. W.-B.

Dienstag, den 22. Oktober 2013
PD Dr. Andreas Blank (Paderborn)

  • Leibniz und territoriale Gerechtigkeit in der frühen Neuzeit
    (Vortrag im Rahmen des Leibniz-Sommers in Hannover)

Zum Vortrag:
Territoriale Kontroversen sind ein weit diskutiertes Problem in der frühneuzeitlichen Politik und politischen Philosophie. Einer der diskutierten Lösungsvorschläge greift auf den römisch-rechtlichen Begriff der usucapio zurück ‒ den Begriff der Erwerbung von Eigentum durch langjährigen Besitz. Weil Ansprüche auf lange besetzte Territorien eine wichtige Argumentationsstrategie in internationalen Beziehungen bilden, debattierten politische Theoretiker in der frühen Neuzeit, ob und wie der Begriff der usucapio auf das Völkerrecht übertragen werden kann. In diesen Debatten spielte der methodologische Begriff der Präsumption eine wesentliche Rolle, da die Präsumption, dass der frühere Eigentümer sein Eigentum aufgegeben hat, als eine wesentliche Voraussetzung für usucapio angesehen wurde. Der Vortrag zeichnet den Ursprung dieser Denkfigur bei Naturrechtstheoretikern wie Alberico Gentili und Hugo Grotius nach und geht auf zwei wichtige Reaktionen auf sie ein. Die erste Reaktion findet sich im Werk des Juristen Johannes von Felden (der von Leibniz sehr geschätzt wurde), die zweite im Werk von Leibniz. Felden lehnt die Anwendung des Begriffs der usucapio auf internationale Beziehungen ab und argumentiert stattdessen für die Einrichtung von vertragsbasierten Schiedsgerichten. Leibniz dagegen versucht zwei scheinbar miteinander unvereinbare Auffassungen miteinander zu verbinden: (1) Usucapio ist Teil des Völkerrechts; (2) territoriale Kontroversen müssen im Völkerrecht auf der Grundlage der verfügbaren Evidenz gelöst werden.

A. B.

Mittwoch, den 18. September 2013
Prof. Dr. Kiyoshi Sakai (Tokio)

  • Monadologie im „Kegon“-Buddhismus. Zur Leibniz-Interpretation Toshie Murakamis
    (Vortrag im Rahmen des Leibniz-Sommers in Hannover)

Zum Vortrag:
In philosophischen wie religionswissenschaftlichen Veröffentlichungen finden sich verstreute Hinweise darauf, dass Leibniz’ Monadologie und die Lehre des „Kegon“-Sutra weitreichende Übereinstimmungen aufweisen ‒ eine eingehende textorientierte Auseinandersetzung zur Thematik Leibniz und der „Kegon“-Buddhismus liefert aber wohl nur Toshie Murakami (1871-1957), dessen ursprünglich 1896 an der Kaiserlichen Universität Tokio als Abschlussarbeit vorgelegte und posthum erst 1960 publizierte Schrift Raibunittsu-shi to Kegon-shu (Herr Leibniz und die Kegon-Sekte) noch heute als wegweisender und sehr wichtiger Beitrag gilt: Murakami stellt darin fest, dass zwischen Leibniz’ Monadologie und dem Begriff von „Jijimuge“ (das Aus-sich-heraus-tretend-ineinander-sein der einzelnen Dinge) im „Kegon“-Buddhismus kaum ein Unterschied besteht.

Im Vortrag möchte ich zunächst versuchen, die Hauptthesen der Leibniz-Interpretation Murakamis aufzuzeigen, dann die charakteristischen Denkmotive im „Kegon“-Sutra hinsichtlich deren jeweiliger Distanz zu Leibniz’ Monadologie beleuchten und mich zum Schluss der Frage widmen, ob bei Murakami noch ein „Kegon“-Buddhismus und Monadologie verbindendes drittes Moment aufzufinden bliebe ‒ und falls ja, was dieses wäre.

K. S.

Donnerstag, den 4. Juli 2013
Prof. Dr. Michael Lackner (Erlangen)

  • Die „Wissenschaften des traditionellen China“.
    Ein Überblick zu den chinesischen Techniken der Zukunftsbewältigung in Vergangenheit und Gegenwart

    (Vortrag im Rahmen des Leibniz-Sommers in Hannover)

Zum Vortrag:
Seit dem 14. Jahrhundert v. Chr. existieren in chinesischer Sprache Aufzeichnungen über Orakel. Die prognostischen Techniken, die Marc Kalinowski als die „Wissenschaften des traditionellen China“ bezeichnet hat, haben einen bedeutenden Anteil an Weltanschauung und Lebenswelt Chinas in der Vergangenheit, aber durchaus auch in der Gegenwart. Der Vortrag beleuchtet einzelne Techniken und das dahinter stehende Weltbild.

M. L.

Dienstag, den 4. Juni 2013
Prof. Dr. Detlef Haberland (Oldenburg)

  • Kultur-, Wirtschafts- und Mentalitätsgeschichte am Beispiel des Lesezeichens

Zum Vortrag:
Lesezeichen – das sind, wenn man Zeitgenossen befragt, Papierstreifen, die man in die Bücher legt, damit man die Seite wiederfindet, auf der man aufgehört hat zu lesen. Das ist jedoch noch nicht die ganze Wahrheit.

Die Entgrenzung der Disziplinen und Methoden hat zu der Entdeckung geführt, dass viele Alltagsgegenstände ausgesprochen große Informationspools sind, aus denen man Kenntnisse über zahlreiche Facetten der Kultur- und Wirtschaftsgeschichte sowie Material zu ethnischen oder religiösen Zusammenhängen schöpfen kann. Zu diesen aussagekräftigen Alltagsgegenständen gehören eben auch Lesezeichen, die heute in jeder Buchhandlung ausliegen. Wie aber haben sie sich entwickelt? Hat sich Ihre Form, Struktur und Aussage geändert? Welche Implikationen sind, außer denen der Materialität, zu beobachten? In dem Vortrag wird anhand einer Reihe von Abbildungen auf diese und andere Fragen eingegangen und eine kleine Kulturgeschichte dieses alltäglichen Gegenstandes skizziert.

D. H.

Freitag, den 31. Mai 2013
Prof. Dr. Michel Fichant (Straßburg/Paris)

  • Hat Leibniz „die Erscheinungen intellektualisiert“?
    Zum Ursprung eines Missverständnisses

Zum Vortrag:
„Mit einem Worte: Leibniz intellectuirte die Erscheinungen“ (Kritik der reinen Vernunft, B 327) ‒ in diesem Diktum bündelt Kant seine Auffassung der leibnizschen Philosophie als Aufbau eines „intellektuellen Systems der Welt“. Solch ein Konstrukt entsteht nach Kant, weil Leibniz Sinnlichkeit nicht als eigene Art der Anschauung erkennt und ihren Unterschied zum Verstand schlicht auf Erkenntnisstufen mit Graden von verworrenen und deutlichen Vorstellungen reduziert: Hieraus entspringt die oft bemühte Formulierung, nach der das Sinnliche für Leibniz bloß verworrene Erkenntnis sei.

Ist diese Kritik berechtigt?

Ich gehe dieser Frage nach, indem ich den inneren Zusammenhang der Ansätze beleuchte, die Kants Interpretation von Leibniz’ Konzeption des Sinnlichen stützen und im Anschluss zeige, inwiefern Leibniz’ Idee von sinnlicher Erkenntnis solchen Deutungen und der Kritik entgeht.

Anschließend gehe ich dem historischen Ursprung des Missverständnisses nach: Es liegt in der Argumentation begründet, die Wolff in seiner Logik, in Psychologie und Kosmologie entwickelt und die dem Denken Leibniz’ nicht entspricht und es verformt ‒ einem Denken, das wir heute aber weitaus besser nachvollziehen können als vor vielen Jahren Wolff und Kant.

M. F.

Donnerstag, den 4. April 2013
Prof. Dr. Volker Peckhaus (Paderborn)

  • Leibniz und die Entstehung der modernen Logik

Zum Vortrag:
Über die Rolle von Leibniz bei der Entstehung der modernen (mathematischen) Logik herrscht Uneinigkeit. Die Qualität der leibnizschen Logikkalküle ist unbestritten, aber es wird immer wieder betont, dass die ganze Tragweite der leibnizschen Logik erst mit der Veröffentlichung der Fragmente zur Logik durch Louis Couturat (1903) begriffen werden konnte, zu einer Zeit also, als die moderne Logik im Wesentlichen ausformuliert war. Es fällt aber auf, dass die Pioniere der modernen mathematischen Logik George Boole (1815-1864), Ernst Schröder (1841-1902) und Gottlob Frege (1848-1925) ihre Arbeiten in die leibnizsche Tradition stellten. Der Vortrag geht der Frage nach, welche der leibnizschen logischen Schriften die Pioniere der modernen Logik kannten und inwieweit von diesen Schriften ein Einfluss auf die Ausformulierung ihrer logischen Theorien ausgehen konnte. Es wird auf die Bedeutung der erdmannschen Ausgabe der philosophischen Werke von Leibniz (1839/40) und Friedrich Adolf Trendelenburgs Akademierede Ueber Leibnizens Entwurf einer allgemeinen Charakteristik (1857) hingewiesen.

V. P.

Dienstag, den 12. Februar 2013
Prof. Dr. Fabian Wittreck (Münster)

  • Anerkennung und Geltung von Recht


Zum Vortrag:
Der Vortrag soll anhand aktueller Beispiele zunächst die Antworten der klassischen Geltungslehre auf die Frage nach Geltung und Anerkennung des Rechts präsentieren, bevor die Theorieangebote der gegenwärtigen Rechtslehre geprüft werden. Am Ende steht eine Betrachtung aktueller Entwicklungen der Geltungslehre, die u. a. nach dem wiedererstarkten Einfluss der Religion fragt.

F. W.

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