Vortragsveranstaltungen 2007

22. November  Prof. Dr. Theo Kölzer (Bonn)
  • „Der Zweck heiligt die Mittel“? Mittelalterlichen Urkundenfälschern auf der Spur
16. NovemberProf. Dr. Dr. Franz Schupp (Freiburg/Br.)
  • Averroes Latinus / Averroes Arabus. Ein Missverständnis: Leibniz und andere
18. Oktober  Claudia M. Boedecker (Hannover)
  • Sehen lernen am Beispiel von Fälschungen und Originalen im Kestner-Museum
12. Juli  Dr. Karljosef Kreter (Hannover)
  • Bedeutet Hannover wirklich „hohes Ufer“? Zur Entwicklung der Namensdeutung von den ältesten Sagen bis zur wissenschaftlichen Erklärung
28. Juni  Prof. Dr. Herbert Breger (Hannover) / Dr. Sabine Sellschopp (Berlin) / Dr. Siegmund Probst (Hannover)
  • „... confusum est chaos schedarum“: Irrwege, verwischte Spuren und verborgene Wegweiser im Labyrinth des Leibniz-Nachlasses
7. Juni Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Friedrich-Wilhelm Wellmer (Hannover)
  • Leibniz’ Wirken im Oberharzer Silberbergbau 
19. April Dr. Eva Johanna Schauer (Hannover)
  • Prinzessin Antonia zu Württemberg (1613-1679) und ihre kabbalistische Lehrtafel
8. März Prof. Dr. Hans Poser (Berlin)
  • Ethische Probleme der Nanotechnologie
27. Februar Prof. Rolf Wernstedt (Hannover)
  • Macht und Ohnmacht der Länderparlamente

Donnerstag, den 22. November 2007
Prof. Dr. Theo Kölzer (Bonn)

  • „Der Zweck heiligt die Mittel“? Mittelalterlichen Urkundenfälschern auf der Spur
    (Vortragsreihe Die verborgene Sprache der Dinge zum Jahr der Geisteswissenschaften)

Zum Vortrag:
„Die Welt will betrogen sein, also wird sie betrogen“, lautet eine alte Erkenntnis, und die regelmäßig aufgedeckten Skandale in allen Bereichen des heutigen gesellschaftlichen Lebens bestätigen sie immer wieder aufs Neue. Allenfalls den Fachleuten dürfte bekannt sein, dass auch das christlich geprägte Mittelalter in dieser Beziehung Erkleckliches geleistet hat und dass die Fernwirkungen z. T. bis in unsere Zeit reichen. Dabei handelt es sich keineswegs nur um „Kutten-Kujaus“ (Der Spiegel) oder lichtscheues Gesindel, obwohl solche generellen Stigmatisierungen unser Vorurteil befriedigen. Der Historiker wird unter dem Eindruck einer sorgfältigen Analyse von Einzelfällen um ein differenziertes Urteil jenseits einer pauschalen Verdammung oder einer Generalabsolution bemüht sein müssen. Der Vortrag erläutert dies anhand eines konkreten Beispiels: Jüngste Forschungen sind einem Fälscher-Abt des beginnenden 12. Jahrhunderts auf die Spur gekommen, der einen umfangreichen Komplex von Königs-, Kaiser- und Papsturkunden gefälscht hat und auch für Auswärtige tätig wurde. Die Beobachtungen gewähren gleichsam einen Schulter-Blick in seine Werkstatt und erlauben Rückschlüsse auf seine Motivation, seine Mitwisser und den Erfolg seiner Bemühungen.

T. K.

Freitag, den 16. November 2007
Prof. Dr. Dr. Franz Schupp (Freiburg/Br.)

  • Averroes Latinus / Averroes Arabus. Ein Missverständnis: Leibniz und andere

Zum Vortrag:
Ibn Rušd (1126-1198) wurde den lateinischenPhilosophen und Theologen unter dem Namen Averroes durch die lateinischen Übersetzungen seiner umfangreichen Aristoteles-Kommentare und seines medizinischen Kompendiums Colliget bekannt. Aus der Beschäftigung mit diesen Kommentaren ging der berühmt-berüchtigte sog. lateinische Averroismus hervor, der manchmal als „Aufklärung im Mittelalter“ bezeichnet wird. Aufgrund dieser Entwicklung wurde in den westlichen Ländern auf die Person des Averroes zurückgeschlossen, also ein „lateinischer Averroes“ konstruiert, ein Bild, das bis ins 19. Jahrhundert hinein geltend war.

Die eigenen philosophisch-theologischen Schriften des Averroes (etwa 700 Druckseiten) wurden mit Ausnahme eines zwei-Seiten-Textes weder ins Lateinische noch auch in irgendeine westliche Sprache übersetzt, waren somit unbekannt und konnten daher auch nicht in die Einschätzung des Averroes einbezogen werden. Diese seit dem 13. Jahrhundert in Madrid liegenden Manuskripte wurden erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt und ediert und gaben Anlass zu einer Revision des Averroes-Bildes und zu einer Neueinschätzung des sog. Averroismus. Die Diskussion über die damit aufgeworfenen Fragen dauert bis heute an. Dieser „arabische Averroes“ wird auch in der gegenwärtigen kulturphilosophischen Diskussion in den arabischen Ländern herangezogen, aber manchmal auch mit dem „lateinischen“ Averroes verwechselt.

F. S.

Der Referent hat uns den vollständigen Text des Vortrags zur Verfügung gestellt – Sie finden ihn hier im doc-Format (Copyright beim Autor).

Donnerstag, den 18. Oktober 2007
Claudia M. Boedecker (Hannover)

  • Sehen lernen am Beispiel von Fälschungen und Originalen im Kestner-Museum
    (Vortragsreihe Die verborgene Sprache der Dinge zum Jahr der Geisteswissenschaften)

Zum Vortrag:
Dieser spannende Vortrag bietet einen kleinen Exkurs in die detailgenaue Beobachtung und Untersuchung einiger musealer Exponate von der Antike bis zum 20. Jahrhundert.

Fragen wie „was sagt uns die Herstellungstechnik, was die Funktion“, „wie kann die Stilgeschichte Aufschluss geben über falsche Datierungen“ und „wie unterscheide ich Original und Fälschung“ werden geklärt. Neben einer solchen Herangehensweise an ein Objekt stehen dem Sammler immer auch die naturwissenschaftlichen Methoden zur Überprüfung zur Verfügung, deren Kosten aber häufig in keinem Verhältnis zum Objektwert stehen. Deshalb kann und sollte den eigenen Augen und der eigenen Fachkenntnis vertraut werden.

Handelt es sich bei den Exponaten auch nicht immer um arglistige Täuschungen, so wird doch deutlich, dass auch die Hersteller der „unechten“ Objekte oft Meister ihres Faches waren.

C. M. B.

Donnerstag, den 12. Juli 2007
Dr. Karljosef Kreter (Hannover)

  • Bedeutet Hannover wirklich „hohes Ufer“? Zur Entwicklung der Namensdeutung von den ältesten Sagen bis zur wissenschaftlichen Erklärung
    (Vortragsreihe Die verborgene Sprache der Dinge zum Jahr der Geisteswissenschaften)

Zum Vortrag:
Die erste urkundliche Erwähnung Hannovers stammt aus dem Jahr 1163. Sagen, die den Namen „Hannover“ deuten, datieren erst aus dem 16. Jahrhundert. Die aus heutiger Sicht primitiven „Erklärungen“ beziehen sich etwa auf den Namen eines Stadtgründers (Hanof) oder erzählen eine Deutungslegende, die Hannovers Lage an der Leine einbringt (hinüber); im 17. Jahrhundert schreckt man vor abenteuerlichen Buchstabenumstellungen nicht zurück. Das Bedürfnis zu erkennen, was hinter dem Namen „Hannover“ steht, ist auch in der Folge nicht erloschen. Im 20. Jahrhundert verdrängte die schon von Leibniz ins Spiel gebrachte fragwürdige Deutung „hohes Ufer“ alle älteren Varianten. – Der Vortrag zeichnet die Entwicklung in ihrem historischen Kontext nach und macht sie verständlich. Für den Namen „Hannover“ wird eine neue, zeitgemäße Erklärung auf wissenschaftlicher Grundlage angeboten.

K. K.

Donnerstag, den 28. Juni 2007
Prof. Dr. Herbert Breger (Hannover) / Dr. Sabine Sellschopp (Berlin) / Dr. Siegmund Probst (Hannover)

  • „... confusum est chaos schedarum“: Irrwege, verwischte Spuren und verborgene Wegweiser im Labyrinth des Leibniz-Nachlasses
    (Vortragsreihe Die verborgene Sprache der Dinge zum Jahr der Geisteswissenschaften)

Zum Vortrag:
Nicht nur einmal bringt Leibniz das Gefühl zum Ausdruck, von den ihn umgebenden Papiermassen erdrückt zu werden. Auch heute können die Dimensionen seines Nachlasses, die Vielzahl von Abhandlungen und Briefen, Exzerpten, Konzepten und Reinschriften, Faszikeln, Blättern und Zetteln den Eindruck eines Urwaldes – oder eines Labyrinths – aufkommen lassen. Wohl sind darin Wege abgesteckt, Ariadnefäden ausgelegt: das (weit mehr als den eigentlichen Nachlass umfassende) Material ist mehrheitlich katalogisiert. Dass dies noch kein Durchkommen garantiert, gehört zu den täglichen Erfahrungen der eigentlichen „Wegbereiter“: der historisch-kritischen Edition von Leibniz’ Sämtlichen Schriften und Briefen. Denn der weitaus größere Teil der Leibniz-Überlieferung – ob Briefe oder Abhandlungen – war nicht für eine größere Öffentlichkeit bestimmt, sondern nur für einen kleinen, eingeweihten Adressatenkreis. Und das bedeutet: vieles wird nur angedeutet, bleibt implizit – und muss heute erst mühsam erschlossen werden. Darüber hinaus fehlen nicht selten elementare Angaben wie eine Datierung oder Adressatenzuweisung. Und schließlich hat Leibniz in seinen späteren Lebensjahren, in denen er sich zunehmend veranlasst sah, Pläne und Wege zu verschleiern, eventuelle ungebetene Mitleser seiner Briefe mitunter auf Irrwege geführt – die die Editoren überhaupt erst einmal als solche erkennen müssen. Beispiele hierfür wollen wir präsentieren – und aufzeigen, wie unsere Handschriften dann aber doch zu Aussagen gebracht werden können, die sie mitunter nach Leibniz’ Intention eigentlich verschweigen sollten.

H. B. / S. S. / S. P.

Donnerstag, den 7. Juni 2007
Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. mult. Friedrich-Wilhelm Wellmer (Hannover)

  • Leibniz’ Wirken im Oberharzer Silberbergbau

Zum Vortrag:
Der Vortrag gliedert sich in drei Blöcke:
Im ersten Block werden die geologischen und technischen Grundlagen des Oberharzer Silberbergbaus im ausgehenden 17. Jahrhundert erläutert. Der Oberharz war eines der vier großen Silberbergbaugebiete Europas neben Tirol, dem ungarisch/slowakischen Erzgebirge und dem sächsisch/böhmischen Erzgebirge. Da Silber das Münzmetall schlechthin war mit einer für Silber fünfmal günstigeren Gold/Silber-Relation als heute, war Silberbergbau der wichtigste Bergbauzweig überhaupt und Technologietreiber.
Die Harzer Gruben hatten mit zulaufendem Wasser zu kämpfen. Daher war das „Zu-Sumpf-halten“ der Gruben eine wichtige Voraussetzung für den Silberbergbau. Dies geschah mit Pumpen, die von Wasserrädern angetrieben wurden. Wasser war die Energie des Harzer Silberbergbaus schlechthin. Zu Leibniz’ Zeiten war das Potential der Wassernutzung für den Oberharzer Bergbau fast ausgenutzt. Ein Paradigmenwechsel war notwendig. Hier setzte Leibniz an, indem er die Edelenergie Wasser, die hervorragend gesteuert werden konnte, mit der unstetigen, daher weniger edlen Energie Wind kombinieren wollte. Sein Plan war, das Wasser, das bereits Wasserräder angetrieben hatte und abgearbeitet war, mit Hilfe von Windmühlen über Sparteiche zu rezyklieren.

Im zweiten Block wird der politische und organisatorische Rahmen erläutert, der Leibniz’ Wirken im Oberharz bestimmte.

Im dritten Block wird auf Leibniz’ Wirken im Oberharz eingegangen. Man kann dieses Wirken in drei Phasen unterteilen: 1678-1685/86 Wasserwirtschaft s.o., 1685/86 und 1692-95 Entwicklung von drei Verbesserungen zur Schachtförderung, 1712-1715 Entwicklung eines Instrumentes zur barometrischen Höhenmessung. Abschließend wird der Frage nachgegangen, warum Leibniz im Oberharz gescheitert ist.

F.-W. W.

Donnerstag, den 19. April 2007
Dr. Eva Johanna Schauer (Hannover)

  • Prinzessin Antonia zu Württemberg (1613-1679) und ihre kabbalistische Lehrtafel

Zum Vortrag:
Prinzessin Antonia zu Württemberg gehört zu den fürstlichen Frauen des 17. Jahrhunderts, deren Lebenszeit von den Wirren des 30jährigen Krieges überschattet wird. Männermangel versagt ihr eine dynastische Bedeutung, aber der berühmte schwäbische Theologe und Schriftsteller Johann Valentin Andreä sorgt für eine außergewöhnliche Bildung der Prinzessin und ihrer beiden Schwestern Anna Johanna und Sibylla, die nicht nur das Erlernen von Latein, naturwissenschaftlicher Disziplinen, Kunst und Musik einschließt, sondern im Falle Prinzessin Antonias auch das Erlernen der hebräischen Sprache – ein Novum selbst für die Theologen der damaligen Zeit.

Mit der Kabbalistischen Lehrtafel,.die in der Dreifaltigkeitskirche von Bad Teinach zu besichtigen ist, ließ die Prinzessin nicht nur ein Unikat in der Kunstwelt schaffen, sondern einen originellen und universellen Ausdruck barocker Lebenskultur und persönlicher Frömmigkeit.

E. J. S.

Donnerstag, den 8. März 2007
Prof. Dr. Hans Poser (Berlin)

  • Ethische Probleme der Nanotechnologie

Zum Vortrag:
Nanowissenschaften beschäftigen sich mit Eigenschaften von Strukturen aus wenigen Atomen, in der Nanotechnologie geht es um die Manipulation und Nutzung dieser Strukturen und ihrer Eigenschaften. Obwohl und weil all diese Forschung und Entwicklung noch ganz am Anfang steht, gibt es auf der einen Seite euphorische Vorhersagen über neue technische Wunderwelten, denen auf der anderen Seite Warnungen gegenüber stehen, die als Konsequenz bis zu einem Einstellen aller Nanowissenschaft reichen. Beide Seiten sollen gegeneinander abgewogen werden, um einen Vorschlag zur Überwindung von Science fiction einerseits, Kassandrarufen andererseits zu entwickeln.

H. P.

Dienstag, den 27. Februar 2007
Prof. Rolf Wernstedt (Hannover)

  • Macht und Ohnmacht der Länderparlamente

Zum Vortrag:
Die Länder der Bundesrepublik Deutschland haben deswegen Staatsqualität, weil sie Parlamente haben. In der öffentlichen Wahrnehmung und der realen politischen Auseinandersetzung stehen die Parlamente allerdings nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern die Ministerpräsidenten und die Landesregierungen. Das ist im Medienzeitalter ein gravierender Mangel.

Diese Entwicklung ist nicht von ungefähr, sondern liegt an einer ungenügenden Finanzordnung und einer schleichenden Aushöhlung der Kompetenzen der Länderparlamente. Dies hat sich auch durch die letzte Föderalismusreform im Kern nicht verändert.

Der Vortrag reflektiert diese Situation aus rechtlicher und praktischer Sicht.

R. W.

Der Referent hat uns den vollständigen Text des Vortrags zur Verfügung gestellt – Sie finden ihn hier im doc-Format (Copyright beim Autor).

Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft e.V. c/o Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek
Niedersächsische Landesbibliothek Waterloostr. 8 30169 Hannover Deutschland
Tel.: +49 511 1267331 Fax: +49 511 1267202 info@leibnizgesellschaft.de