Jahresvortrag der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Gesellschaft
Prof. Dr. Enrico Pasini (Rom):
"Ein Entwurf meiner Dynamiken, den ich in Italien entworfen hatte": Leibnizens dynamisches Opus von 1689.
mehr lesenProf. Dr. Enrico Pasini (Rom):
"Ein Entwurf meiner Dynamiken, den ich in Italien entworfen hatte": Leibnizens dynamisches Opus von 1689.
mehr lesen12.00 Uhr in der Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis.
mehr lesen6. Dezember | PD Dr. Marin Trenk (Hannover):
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16. November | Prof. Dr. André Robinet (Orchaise):
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16. November | Prof. Dr. Hans Poser (Berlin):
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25. Oktober | Prof. Dr. Dr. h.c. Gerd-Günther Grau (Hamburg):
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20. September | Prof. Dr. Johanna Geyer-Kordesch (Glasgow):
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19. Juli | Prof. Dr. Warren Breckman (Philadelphia):
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28. Juni | Prof. Dr. Renate Wahsner (Berlin):
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10. Mai | Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Erwin Stein (Hannover):
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25. April | Prof. Dr. Edo Pivčević (Oxford):
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8. Februar | Prof. Dr. Michael Wolff (Bielefeld):
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16. Januar | Prof. Dr. Armin von Bogdandy (Frankfurt a. M.):
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Donnerstag, den 6. Dezember 2001
PD Dr. Marin Trenk (Hannover):
Zum Vortrag:
In der Kolonialgeschichte Nordamerikas haben viele Europäer die Lebensweise der Ureinwohner übernommen und sind „weiße Indianer“ geworden. Der vergessene deutsche Jurist und Frühaufklärer Christian Gottlieb Priber (1697-1745) war einer der faszinierendsten unter diesen Zivilisationsflüchtlingen. Priber mußte Sachsen verlassen und fand Asyl bei den Cherokee. Er führte das Leben eines kulturellen Überläufers, verfaßte eine Sozialutopie (Das Königreich Paradies) und machte sich an ihre Verwirklichung. Aber die unzeitgemäßen Grundsätze seines Projekts - Gemeinbesitz, gleiche Rechte für Männer und Frauen, Gleichheit aller Menschen, ob Weiß, Rot oder Schwarz, Zuflucht für entlaufene Sklaven, Vereinigung aller indianischen Völker - trugen ihm die Feindschaft der britischen Kolonisatoren ein. Der Vortrag will einen Überblick über die historische Erscheinung „weiße Indianer“ geben und das Leben und Werk des wahrscheinlich einzigen Utopisten rekonstruieren, der eine ideale gesellschaftliche Ordnung unter dem unmittelbaren Eindruck einer außereuropäischen Kultur entwickelt hat.
M. T.
Freitag, den 16. November 2001
Prof. Dr. André Robinet (Orchaise):
Zum Vortrag:
Parmi les données de A VI, 4, une occurrence de «Cosmopolitica» apparaît dans l'apparat critique si complexe que la très belle édition de M. Schepers nous fait connaître. Est-ce à dire que Leibniz aurait établi les bases d'une «cosmopolitique» avant Kant, à qui nous attribuons ordinairement l'origine lexicale et conceptuelle de ce terme. Mais s'agit-t-il bien d'un même concept? N'y a-t-il pas une interférence entre géopolitique, cosmopolitique et théopolitique qu'il faudrait éclaircir sémiotiquement, sémantiquement et doctrinalement? André Robinet nous fera part des lignes principales de ses interventions récentes dans les colloques leibniziens, aussi bien que du livre qui paraît sur ce sujet de la «cosmopolitique» leibnizienne.
A. R.
Freitag, den 16. November 2001
Prof. Dr. Hans Poser (Berlin):
Zum Vortrag:
Eselsbrücken sind in Vergessenheit geraten; dabei dienten sie zur bildlichen Darstellung logischer Beziehungen. Ausgehend von einer Abbildung aus dem Jahre 1514 sollen mehrere Illustrationen zur Logik - scheinbar eine spröde Angelegenheit - von formalen Darstellungen über bildhafte Wiedergaben von der Renaissance bis in das 18. Jahrhundert in ihrem Weltbildcharakter beleuchtet werden.
H. P.
Donnerstag, den 25. Oktober 2001
Prof. Dr. Dr. h. c. Gerd-Günther Grau (Hamburg):
Zum Vortrag:
Dass der Humor eine ernste Angelegenheit ist, weiss jeder, der ihn hat. Der dänische Theologe Sören Kierkegaard sieht in ihm das „Inkognito des Religiösen“. Durchweg sind es Skeptiker, die sich in den Humor vor dem wohlverspürten Anspruch des Religiösen zurückziehen, dem sie sich nicht gewachsen fühlen: von Jean Paul über Heine bis zu Wilhelm Busch, den eine „philosophische Erkältung“ daran hindert, das „Boot des Glaubens“ zu besteigen, das ihn zum „andern Ufer des Stroms“ bringen würde, an dem der heilige Augustinus auf ihn wartet (Brief an den Dirigenten Hermann Levi).
Der Humor lässt also die Idee an der Wirklichkeit scheitern, das macht seinen Pessimismus aus; aber er gibt die Idee nicht auf, die ihn die Wirklichkeit ertragen lässt - darin liegt seine verborgene Religiösität.
Bei Wilhelm Busch lassen sich beide Komponenten des Humors aufzeigen - in den (bisher vornehmlich betonten) Anklängen an Schopenhauer wie in den (kaum beachteten) Parallelen zum Verfasser des Prediger Salomo (Kohelet).
G.-G. G.
Donnerstag, den 20. September 2001
Prof. Dr. Johanna Geyer-Kordesch (Glasgow):
Zum Vortrag:
In diesem Vortrag versuche ich die Naturgestaltung im Landschaftsgarten mit der Herstellung einer verzauberten Welt, sei sie mit den Göttern der Antike oder der Bewunderung ferner Länder verbunden, zu vereinen. Die Anregung zum Träumen und zur Entgrenzung der Alltagswelt, markiert durch Kahnfahrten, Wassernymphen, Tempelbauten und die Sehnsucht nach Elysium, entbindet die Phantasie, die gleiche menschliche Fähigkeit, die auch in der Erzählung und im Märchen neue Welten erschließt und den Menschen eine spielerische Freiheit ermöglicht. Der Garten und das Märchenhafte waren wichtige Orte das Gleichgewicht wiederzugewinnen, das dem Rationalismus und dem Utilitarismus der Aufklärung abhanden gekommen war. Ich möchte einen Bogen ziehen von der Freude an der Natur und dem Zauber des Landschaftsgartens über die Lust an der Antike (Neoklassizismus) bis zum genius loci in der Landschaftsmalerei (hauptsächlich J. W. Turner).
J. G.-K.
Donnerstag, den 19. Juli 2001
Prof. Dr. Warren Breckman (Philadelphia):
Zum Vortrag:
„[...] so gilt es jetzt, sozusagen, ein Reich zu stiften, das Reich der Idee, des sich in allem Dasein schauenden und seiner selbst bewußten Gedankens, und das Ich, das Selbst überhaupt, das, seit Anfang der christlichen Ära besonders, die Welt beherrscht hat und sich als den einzigen Geist, der ist, erfaßt hat und als absoluten, den wahren absoluten und objektiven Geist verdrängenden Geist geltend machte, von seinem Herrscherthron zu stoßen [...]“, schrieb Ludwig Feuerbach im Jahre 1828 in einem kühnen Brief an Hegel. Feuerbachs Kriegserklärung gegen die christliche Auffassung des Selbst, verfaßt im Namen des „Reichs der Idee“, antizipierte einen Konflikt zwischen dem sich formierenden Linkshegelianertum der 1830er Jahre und der christlich geprägten Kultur des Preußischen Staates, der im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen beiden Kräften stehen sollte. Der von Feuerbach vorweggenommene Konflikt setzte dem Modell des Selbst, wie es die christliche Doktrin der Inkarnation implizierte, die junghegelianische Idee eines kollektiven menschlichen Gattungswesens entgegen. Zugleich verstand sich die junghegelianische Idee einer menschlichen Gemeinschaft als Angriff auf die politische Theologie der Restauration und deren Bemühen, die persönliche Souveränität des Monarchen wieder zu sakralisieren, d. h. das königliche „Selbst“ auf dessen Thron zu setzen. Der Vortrag untersucht die Verschmelzung von Politik und Theologie in den Debatten über „Persönlichkeit“, einer der entscheidenden Fragen in den 1830er Jahren, die das Lager der Hegelianer von dessen Gegnern und, vor allem nach dem Erscheinen von Strauß' Das Leben Jesu, die Rechtshegelianer von den Linkshegelianern trennte. Wie gezeigt werden wird, stellte das intensive Interesse an dem Konzept der „Inkarnation“ sowohl in seiner theologischen wie seiner politischen Form eine Nachwirkung der Französischen Revolution dar, d. h. des demokratischen Umsturzes des Prinzips der Verkörperung politischer Herrschaft. Karl Marx, Ludwig Feuerbach, Arnold Ruge und andere Linkshegelianer strebten danach, sich das demokratische Prinzip einer unpersönlichen, d. h. körperlosen Herrschaft zu eigen zu machen, wobei sie jedoch mit der steten Versuchung konfrontiert waren, die demokratischen Gewalten erneut in eine Form von Inkarnation zu gießen. Von dieser Beobachtung ausgehend schließt der Vortrag mit einer Reflexion zweier nachfolgender, von Marx und Feuerbach angedachter Wege: während das Marxsche Modell sich in Richtung einer Metasubjektivität des Proletariats entwickelte, zielte Feuerbachs Nachdenken auf eine Neukonzeptionalisierung des Konzepts der Verkörperung ab.
W. B.
Donnerstag, den 28. Juni 2001
Prof. Dr. Renate Wahsner (Berlin):
Zum Vortrag:
In der Vorrede zur Phänomenologie schreibt Hegel: „Das Leben Gottes und das göttliche Erkennen mag also wohl als ein Spielen der Liebe mit sich selbst ausgesprochen werden; diese Idee sinkt zur Erbaulichkeit und selbst zur Fadheit herab, wenn der Ernst, der Schmerz, die Geduld und Arbeit des Negativen fehlt“ [3/24].
Der Vortrag will deutlich machen, dass diese Stufe des Negativen, des Auseinander auch in der philosophischen Behandlung der Wissenschaften ernstgenommen werden muss. Er wendet sich gegen Konzepte von Dialektik, die nicht schnell genug zur sogenannten dialektischen Einheit kommen können, zum vermeintlichen Gesamtzusammenhang, die eine Dialektisierung der Wissenschaften anstreben, die zwar akzeptieren, dass die Fachwissenschaften einen anderen Status haben als ein philosophisches System, darin aber ihren Mangel sehen, der möglichst schnell beseitigt werden muss.
Wenn Dialektik aber als Aufhebung der Isolierung begriffen wird, dann wird sie verschieden sein, je nachdem, wie die Isolierung beschaffen ist, die aufgehoben wird. Hieraus folgt, dass aus philosophischem Interesse, und zwar aus allgemein-philosophischem, nicht lediglich wissenschaftstheoretischem Interesse, der Charakter oder Status der Fachwissenschaften sehr gründlich analysiert (er ist uns noch keineswegs hinreichend bekannt) und gewürdigt werden muss, dass das Stadium der Isolierung, das die Fachwissenschaften reprä:sentieren, ernstgenommen werden muss.
Sowohl Kant als auch Hegel, beide hielten - wenn auch nach unterschiedlichen Prinzipien - eine Untersuchung der Naturwissenschaft für erforderlich, um die philosophischen (in gewissem Sinne könnte man auch sagen: die metaphysischen) Fragen, die sie quälten, beantworten zu können. Heutige Bemühungen um eine Theorie der Dialektik sollten nicht leichtfertig diese Notwendigkeit übergehen.
R. W.
Donnerstag, den 10. Mai 2001
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Erwin Stein (Hannover):
Zum Vortrag:
Die Lösung von Optimierungsproblemen der Mechanik und Mathematik begann im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts mit der von Isaac Newton im Jahre 1687 in den Principia beschriebenen Rotationsfläche kleinsten Widerstandes in einem Strömungsfeld sowie dem von Johann Bernoulli im Jahre 1696 gestellten Brachistochronenproblem (gesucht ist die Bahnkurve mit der kürzesten Zeit für eine reibungslos herabgleitende Punktmasse), das von den bedeutendsten Forschern dieser Zeit entschlüsselt und dessen Lösung im Jahre 1697 veröffentlicht wurde. Besonders ideenreich ist hier die geometrische Lösung von Gottfried Wilhelm Leibniz. Voraussetzung für die Lösung solcher Optimierungsprobleme war die von Newton und Leibniz erfundene Differential- und Integralrechnung.
Im 18. Jahrhundert spielte das Prinzip des kleinsten Zwanges (nach Euler (1744), Maupertuis (1740, 1753) u. a.) mit verschiedenen Anwendungen eine wichtige Rolle.
Im Jahre 1744 veröffentlichte Leonhard Euler seine Theorie der Variationsrechnung mit Hilfe geometrischer Grundüberlegungen, die zur Eulerschen Differentialgleichung für die Extremale eindimensionaler Probleme führt.
Joseph Louis de Lagrange gelingt auf analytische Weise mit der Einbettung der Extremale in eine Schar von zulässigen Testfunktionen ein erster Abschluss der Variationsrechnung. Sein zweibändiges Werk Mécanique Analytique aus dem Jahre 1788 enthält die umfassende Anwendung auf die Elastodynamik bewegter elastischer Körper.
Als grundlegende Folgerungen dieser Entwicklung werden von Lejeune Dirichlet und William Rowan Hamilton im 19. Jahrhundert die energetischen Extremalprinzipe der Elastostatik und Elastdynamik formuliert, die Höhepunkte der in der Zeit der Aufklärung entstandenen klassischen Physik sind.
E. S.
Mittwoch, den 25. April 2001
Prof. Dr. Edo Pivčević (Oxford):
Zum Vortrag:
Ist soziale Gleichheit moralisch verbindlich? Hat sie einen moralischen Wert? Wie immer sie interpretiert wird (als Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit usw.), sie braucht eine Begründung - und eine Begründung ist schwerer zu finden als es zunächst scheinen mag: Das Problem wird im Hinblick auf Kant und einige moderne Theorien der Gerechtigkeit untersucht.
E. P.
Donnerstag, den 8. Februar 2001
Prof. Dr. Michael Wolff (Bielefeld):
Zum Vortrag:
Gottlob Frege (1848-1925) hat mit seiner Begriffsschrift von 1879 die moderne mathematische Logik begründet. Frege nahm an, aus den Prinzipien des logischen Systems der Begriffsschrift könnten alle Regeln der durch Aristoteles begründeten Syllogistik deduktiv hergeleitet werden. Auf dieser Annahme beruht die Ansicht, die moderne mathematische Logik enthalte die Syllogistik als spezielles Teilgebiet, und so wie Einstein die Physik revolutioniert habe durch den Nachweis, dass die Newtonsche Mechanik aus den Gesetzen der Relativitätstheorie folgt, habe Frege die Logik revolutioniert. - Der Vortrag Die Reinheit der reinen Logik: Kant und Frege soll zeigen, dass Freges Annahme abhängt von der (mehr als fragwürdigen) Voraussetzung, dass die mathematische Logik in demselben Sinne als reine Logik gelten dürfe wie die Syllogistik.
M. W.
Dienstag, den 16. Januar 2001
Prof. Dr. Armin von Bogdandy (Frankfurt am Main):
Zum Vortrag:
Die Rechtsetzung ist in der Bundesrepublik wie in den meisten europäischen Staaten exekutiv oder besser: gubernativ beherrscht. Dem Parlament kommt bei der inhaltlichen Gestaltung des Rechts nur noch eine nachgeordnete Stellung zu. Nach der ganz herrschenden Lehre handelt es sich hierbei um eine Fehlentwicklung. In meinem Vortrag werde ich hingegen versuchen zu zeigen, dass es sich hierbei im Grunde um eine sinnvolle und verfassungsrechtlich zulässige Anpassungsstrategie an ein schwieriges gesellschaftliches Umfeld handelt, wenn eine Reihe von Voraussetzungen beachtet wird.
A. v. B.