Vortragsveranstaltungen 2006

24. November  Prof. Dr. Joachim Perels (Hannover)
  • Das Denken von Leibniz und der Widerstand der „Weißen Rose“ gegen Hitler. Das Beispiel von Prof. Kurt Huber 
19. Oktober  Dr. Catherina Wenzel (Berlin)
  • Liselotte Richter (1906-1968). Aus dem Leben und Werk der ersten deutschen Professorin für Philosophie und Religionswissenschaft 
22. Juni   Prof. Dr. Ursula Goldenbaum (Atlanta)
  • Leibniz' Begeisterung über ein unerträglich freches Buch Spinozas. Anmerkungen gelegentlich eines unentdeckten Leibnizstücks
23. März  Dr. Alfred Schröcker (Wunstorf)
  • „Vielleicht ein unergründliches Studieren“. Physiognomik und Charakterisierung beim jungen Johann Christian Kestner (1741-1800)
16. Februar Prof. Rolf Wernstedt (Hannover)
  • Was bedeuten unterschiedliche Erinnerungskulturen in Deutschland?  
19. Januar  Prof. Dr. Regine Kather (Freiburg im Breisgau)
  • Wer ist eine Person? Über die Bestimmung des menschlichen Lebens 

Freitag, den 24. November 2006
Prof. Dr. Joachim Perels (Hannover)

  • Das Denken von Leibniz und der Widerstand der „Weißen Rose“ gegen Hitler. Das Beispiel von Prof. Kurt Huber

Zum Vortrag:
Ein führendes Mitglied der Gruppe „Weiße Rose“, die sich Anfang der 40er Jahre im Kampf gegen die NS-Diktatur gebildet hatte, war Prof. Kurt Huber. Er lehrte an der Münchner Universität Philosophie. In dem Vortrag geht es um den Zusammenhang von Hubers Interpretation der Philosophie von Leibniz und der Teilnahme am politischen Widerstand gegen Hitler.

J. P.

Donnerstag, den 19. Oktober 2006
Dr. Catherina Wenzel (Berlin)

  • Liselotte Richter (1906-1968). Aus dem Leben und Werk der ersten deutschen Professorin für Philosophie und Religionswissenschaft

Zum Vortrag:
Am 7. Juni diesen Jahres wäre Liselotte Richter, Deutschlands erste Philosophie- und Theologieprofessorin, 100 Jahre alt geworden. Es geht in meinem Vortrag nicht nur darum, an eine zweifelsohne bedeutende Gestalt aus der Nachkriegsgeschichte der Berliner Humboldt Universität zu erinnern, sondern auch darum, Einblick in ihr Œuvre zu geben. Richter hat auf die unterschiedlichen geistigen Strömungen zwischen 1925 und 1965 sensibel und durchaus anpassungsfähig reagiert. Geprägt von der Kultur der 20er Jahre hat sie den Nationalsozialismus und die DDR erlebt. Von 1936 bis 1943 arbeitete Liselotte Richter für die Preußische Akademie der Wissenschaften an der Leibniz-Ausgabe, kurz nach dem Krieg hat sie die kommunistische Utopie entschieden begrüßt. Da seit Anfang der 50er Jahre für die vor allem am Existentialismus interessierte Professorin – sie hat eine Reihe von Werken Kierkegaards, Sartres und Camus’ für den Rowohltverlag übersetzt und eingeleitet – an einem marxistischen Institut für Philosophie kein Platz mehr war, wechselte sie an die theologische Fakultät. Wohnhaft in Berlins Westen und tätig in Ostberlin wurde sie zur Grenzgängerin nicht nur zwischen Philosophie und Theologie, sondern auch zwischen den beiden deutschen Staaten.

C. W.

Donnerstag, den 22. Juni 2006
Prof. Dr. Ursula Goldenbaum (Atlanta)

  • Leibniz' Begeisterung über ein unerträglich freches Buch Spinozas. Anmerkungen gelegentlich eines unentdeckten Leibnizstücks

Zum Vortrag:
Lange Zeit wurde angenommen, Leibniz habe Spinoza erst nach dem Erscheinen von dessen Ethik (1678) ernsthaft studiert. Da außerdem lange Zeit angenommen wurde, dass Leibniz die Eckpunkte seiner Philosophie in frühester Jugend (um 1665) entwickelt habe und seine philosophischen Schriften eine ausgesprochen kontinuierliche Entwicklung aufzeigen würden, wurde ein möglicher Einfluss Spinozas auf Leibniz von den meisten Leibnizforschern bis vor wenigen Jahren heftig bestritten. Mit dem Auffinden eines neuen Leibnizstücks ändert sich diese Sachlage. Ein wichtiger Leibniz-Text der Jahre 1670/71 muss auf diesem Hintergrund als intensive Auseinandersetzung mit Spinoza gelesen werden, in deren Ergebnis Leibniz seinen neuen epistemologisch bedeutsamen Begriff einer klaren, aber verworrenen Idee entwickelt – die idea clara confusa.

U. G.

Donnerstag, den 23. März 2006
Dr. Alfred Schröcker (Wunstorf)

  • „Vielleicht ein unergründliches Studieren“. Physiognomik und Charakterisierung beim jungen Johann Christian Kestner (1741-1800)

Zum Vortrag:
Johann Christian Kestner (1741-1800) ist bekannt als Ehemann der Charlotte Buff und somit auch als der überaus vernünftige, nüchterne „Albert“ in Goethes Leiden des jungen Werthers. In freier Wahl zwischen Goethe und Kestner entschied sich Charlotte 1772/73 für Kestner. Die acht Söhne aus dieser Ehe machten Karriere als hannöversche Beamte, als Diplomat und Kunstsammler (August Kestner), als Medizinprofessor oder als Industrieller.

Im Nachlass Kestner (Stadtarchiv Hannover) sind trotz starker Verluste im Zweiten Weltkrieg zahlreiche Manuskripte des jungen Johann Christian Kestner erhalten (1760-1767). Sie ergeben ein anschauliches Bild darüber, wie Anakreontik, Empfindsamkeit und Aufklärung bei diesem Sohn eines führenden hannöverschen Verwaltungsbeamten (Johann Hermann Kestner war Geheimer Sekretär) ankommt (eine Studie über die jungen Jahre des Johann Christian Kestner ist in Arbeit).

Aus den vielseitigen Interessen Kestners greift der Vortrag seine Ansichten und praktischen Erfahrungen mit der Physiognomik ein Jahrzehnt vor Lavaters Physiognomischen Fragmenten auf. Im Unterschied zu Lavater zeigt sich, dass Kestner die Physiognomik empirisch-kritisch prüft und nicht einfach deren Gültigkeit voraussetzt, insofern also trotz einiger Unterschiede eher auf der Linie von Georg Christoph Lichtenbergs Äußerungen im Physiognomikstreit der 70er Jahre des Jahrhunderts liegt. Kestner und Lichtenberg eint auch das erkenntnisleitende Interesse, das Wesen des Menschen tiefer zu erfassen, das bei Lavater vorhanden scheint, aber stark durch seine religiösen Absichten überlagert wird. Infolgedessen ist für Kestner die genaue Beobachtung und Charakterisierung der Menschen aufs engste mit seiner Kritik an der Physiognomik verbunden. Im Unterschied zu Lichtenberg und Lavater hat Kestner seine kritischen Ansichten zwar festgehalten, aber nicht veröffentlicht.

A. S.

Donnerstag, den 16. Februar 2006
Prof. Rolf Wernstedt (Hannover)

  • Was bedeuten unterschiedliche Erinnerungskulturen in Deutschland?

Zum Vortrag:
Mein Vortrag wird sich damit beschäftigen, dass die intensive Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, der Flucht und Vertreibung, der Bombenangriffe, der Zwangsarbeiter, der Kriegsgefangenschaft und der Soldaten in jeweils getrennten Diskursen gepflegt wird. Dies erscheint deswegen problematisch, weil die politische Ursprungs-Verantwortlichkeit für all diese Vorgänge dieselbe ist. Es ist in Deutschland noch keine Form gefunden, die unterschiedlichen Opfergruppen gemeinsam zu denken, ohne die Differenzen und Verantwortlichkeiten zu verwischen.

R. W.

Der Referent hat uns den vollständigen Text des Vortrags zur Verfügung gestellt – Sie finden ihn hier im doc-Format (Copyright beim Autor).

Donnerstag, den 19. Januar 2006
Prof. Dr. Regine Kather (Freiburg im Breisgau)

  • Wer ist eine Person? Über die Bestimmung des menschlichen Lebens

Zum Vortrag:
Erst mit der Genese der modernen Naturwissenschaften wurden, insoweit stimmen Descartes, Spinoza und Leibniz überein, körperliche Funktionen unabhängig von geistigen betrachtet. Damit freilich verändert sich das menschliche Selbstverständnis. Der Körper, so argumentierte Locke erstmals, sei nur Gattungsmerkmal, und nur der sich selbst erlebende Geist ein Merkmal der individuellen Person. Dann freilich sind nicht alle Menschen Personen. Diese Position wurde bestimmend für die aktuelle bioethische Debatte. Doch ist die Trennung von Körper und Geist wirklich angemessen? Ist nicht bereits der Körper unterbestimmt, wenn man ihn nur als funktionierenden biologischen Organismus sieht? Und spielt nicht auch die personale Beziehung zu anderen Menschen eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der eigenen Identität? Lässt sich Leben überhaupt in einen wertfreien Funktionszusammenhang und den nach Zielen suchenden menschlichen Geist aufspalten?

R. K.

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